Es ist wohl die köstlichste Erfahrung, die ein Mensch machen kann: das transzendieren. Doch was genau passiert eigentlich, wenn wir diese Erfahrung machen? Seit Immanuel Kant in seiner „Kritik der reinen Vernunft“ den Begriff der Transzendentalphilosophie geprägt hat, wird Transzendenz in der Philosophie immer wieder aufgegriffen. Und auch die Strömung der amerikanischen Transzendentalisten um Ralph Waldo Emerson hat sich des Themas angenommen. Doch hier soll es nicht um philosophische Inhalte gehen, sondern um das was passiert, wenn wir diesen grundlegensten Bereich unserer Existenz tatsächlich erfahren.
Der Begriff Transzendenz stammt vom lateinischen „trancendere“ ab, was wörtlich übersetzt so viel heißt wie „etwas überschreiten“ oder „zu etwas hinübergehen“. Wenn wir transzendieren, überschreiten wir also etwas, um zu etwas anderem zu gelangen. Doch was überschreiten wir? Und wohin gelangen wir?
Vereinfacht gesagt, überschreiten wir den oberflächlichen Aspekt der Schöpfung und gehen hinüber in einen grundlegenderen Seinsaspekt. Um das zu verstehen muss man sich vorstellen, das die gesamte Schöpfung in zwei unterschiedliche Bereiche geteilt werden kann: einem manifesten, relativen – das ist die Welt so wie wir sie kennen und erleben – und einem unmanifesten, absoluten – das ist der unsichtbare Bereich, der der sichtbaren Existenz zugrunde liegt. Dieser unsichtbare Bereich ist quasi der Generator, der Energiegeber für alles, was im sichtbaren Bereich statt findet.
Transzendenz = Brahman = Einheitliches Feld
Dieser im Veda als „Brahman“ bezeichnete Bereich entspricht dem in der Quantenphysik als „Einheitliches Feld“ (Unified Field) beschriebenen Bereich sehr gut. Es ist die eine grundlegende Ebene der Existenz, aus der alles andere hervor geht. Dabei ist es nicht so, das diese Ebene getrennt von der wahrnehmbaren und erfahrbaren Realität existiert. Nein – sie ist Teil der sichtbaren Existenz. Das sichtbare, manifeste Leben findet quasi innerhalb der unmanifestierten Existenz statt. Nur kann man das unsichtbare innerhalb des sichtbaren natürlich nicht sehen. Es wird ja durch das oberflächlich sichtbare verdeckt – oder überschattet. Trotzdem existiert es, von den allermeisten nicht wahrnehmbar und nicht beachtet. Es ist der stille Ruhepol voll potentieller Energie und kreativer Schöpferkraft. Es ist reine unsichtbare, geschmacklose, geruchslose, vollkommen stille Potentialität, in sich ruhend, aber jederzeit bereit, sich auszudrücken.
Transzendenz ist reine unsichtbare, geschmacklose, geruchslose, vollkommen stille Potentialität – jederzeit bereit sich auszudrücken…
Wir können es uns vorstellen wie den farblosen Saft in einer Pflanze. Er durchströmt alle Teile der Pflanze: den Stamm, die Blätter und die Blüten – jedoch bleibt er immer unsichtbar im Hintergrund. Seiner Existenz verdankt die Pflanze aber ihre Vitalität, ihr ganzes Leben. Würde der Saft aufhören zu zirkulieren, würde die Pflanze absterben.
So wie die weiße Kinoleinwand unbeteiligt einen Film reflektiert, so ist die Transzendenz die unbeteiligte Existenz des ausgedrückten Lebens.
Eine weitere Analogie kann uns das Verhältnis von manifestierter, sichtbarer Welt und der dahinter liegenden unmanifestierten Realität verdeutlichen: stell dir vor, du gehst ins Kino um dir einen Film anzuschauen. Beim eintreten in das Kino siehst du eine weiße Leinwand ohne jeglichen Inhalt. Der Film beginnt und die Leinwand wird zum Leben erweckt – das ganze Geschehen des Films findet auf der Leinwand statt – eine Geschichte wird erzählt, wir lassen uns in sie hineinziehen, sind womöglich ganz von ihr eingenommen und emotional berührt, machen eine interessante Erfahrung und nehmen im besten Fall neue Erkenntnisse mit nach Hause. All das wurde auf die reinweiße Leinwand projeziert. Diese war aber die ganze Zeit über weiß und wird es auch immer bleiben. Der Film mit all seinen Inhalten wurde auf ihr abgespielt, während die weiße Leinwand ihn nur reflektiert hat. Die Realität der weißen Leinwand ist sozusagen die zugrunde liegende Realität, die vorübergehend durch das Abspielen des Films überschattet wurde, aber eigentlich niemals verloren gegangen ist. So verhält es sich auch mit der absoluten und relativen Lebensrealität. Während sich die relative Ebene des Lebens ständig verändert, bleibt die absolute Ebene still und unbeteiligt. Trotzdem ist sie Teil der Realität – sie wird durch den Lärm und die Intensität des äußeren Erlebens aber so sehr überschattet, das sie von den meisten nicht wahrgenommen wird.
Wenn wir beginnen zu transzendieren, dann beginnen wir uns für diesen bisher überschatteten Lebensaspekt zu öffnen. Denn dieser absolute Bereich ist direkt erfahrbar! Je mehr es uns gelingt, unser Denken zu verfeinern, subtiler werden zu lassen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, das die transzendentale Qualität des absoluten Lebensaspektes zum Vorschein kommt.
Der Transzendenzaspekt war schon immer da, aber der Lärm unserer Gedanken und die ständig hereinflutenden, überwältigenden Sinneseindrücke haben ihn überschattet
Wir beginnen, uns für diese unmanifestierte Seite des Lebens zu öffnen. Fangen an, den Bereich zu erfahren, der bisher unserer Wahrnehmung verborgen war. Er war schon immer da, aber der Lärm unserer Gedanken und die ständig hereinflutenden, überwältigenden Sinneseindrücke haben ihn überschattet.
Die einzige Möglichkeit, um diesen Lebensaspekt in uns zu kultivieren ist durch Verfeinerung des Denkens und einer damit einhergehenden Reinigung unseres gesamten Geist-Körper-Systems – Reinigung von Anspannung, Streß, Verhärtung, Trauma und was sich da sonst noch so alles angesammelt haben mag. Es gibt also einiges zu tun. Es ist ein Weg, der allmählich und kontinuierlich gegangen werden will. Aber die Erfahrung von Transzendendenz ist jederzeit möglich. Anfangs ist sie in der Regel nur kurz, momenthaft. Es werden die köstlichsten Momente deines Lebens sein! Mit der Zeit werden diese Momente länger und intensiver. Nach und nach wird die Qualität der Transzendenzerfahrung immer mehr Bestandteil deines Lebens werden. Wenn du mehr darüber wissen möchtest, wie die sich Erfahrung konkret anfühlt, dann lese hier weiter.