Jeder Mensch hat einen – doch die meisten nehmen ihn wohl einfach als etwas selbstverständliches hin: den GEIST. In der altindischen Hochsprache, dem Sanskrit heißt er MANAS – und ist damit linguistisch nicht weit vom englischen Wort MIND entfernt.
In der Yoga-Literatur wird der Geist als einer der 8 menschlichen Prakritis aufgeführt. Diese sind die fünf Sinne Sehsinn, Hörsinn, Geruchsinn, Geschmacksinn und Tastsinn und die drei Organe der Handlung: Geist (MANAS), Intellekt (BUDDHI) und Ego (AHAMKARA). Der Geist ist quasi das Organ oder diejenige Instanz, die jegliche Information verarbeitet – kommt sie nun von innen oder von außen.
Daher ist Manas, der Geist auch ständig in Bewegung. Er ist eine Art CPU für alle Prozesse die in uns ablaufen und alle Informationen die uns von außen durch die Sinne erreichen. Unsere Bewusstheit, die zunächst still in sich ruht wird durch den Geist angeregt und in Fluss gebracht. Es ist also ein stetiger Bewusstseinsstrom, der den Geist ausfüllt: ein niemals aufhörender Fluss von Gedanken und Gefühlen, Wahrnehmungen und Eindrücken, Erinnerungen und Phantasien.
Der Geist ist eine Art CPU für alle Prozesse die in uns ablaufen und alle Informationen die uns von außen durch die Sinne erreichen.
Und das ist auch genau die Erfahrung, die wir machen, wenn wir meditieren möchten. Wir setzen uns hin und machen es uns bequem, schließen die Augen und kommen körperlich etwas zur Ruhe. Von außen beobachtet scheint alles perfekt. Man sieht einen Menschen der mit geschlossenen Augen ruhig da sitzt. Doch der Geist will sich einfach nicht beruhigen. Er bleibt aktiv… die Gedanken kreisen unaufhörlich, mal mehr und mal weniger. Ganze Gedankenketten durchwabern unsere Bewusstheit – und mit jedem Versuch, die Gedanken bewusst anzuhalten, scheinen sich diese noch zu verstärken. Zu den Gedanken, die sowieso schon da sind kommen dann noch jene hinzu, die sich mit diesem Prozess beschäftigen – und womöglich noch etwas Ärger, weil wir unser selbst gesetztes Ziel nicht nur nicht zu erreichen scheinen, sondern uns auch noch weiter davon entfernen…
Was also ist die Natur des Geistes?
Wenn wir die eben beschriebene Erfahrung zu Grunde legen, würde man sagen, dass der Geist ein rastloser Geselle ist, ständig in Bewegung und ständig auf der Suche nach neuer Anregung.
Aber: wir alle können uns auch an Momente erinnern, in denen wir ganz still waren. Jene kostbaren Momente, die oftmals dann eintreten, wenn wir sie am wenigsten erwarten. In besonderen Situationen – einem tiefen Liebeserlebnis etwa, oder einem intensiven Naturerlebnis, oftmals am Meer oder in den Bergen, Momente in denen die Zeit still zu stehen scheint, wir ganz im hier und jetzt sind und nichts uns zu stören vermag. Leider sind diese Momente meist von kurzer Dauer – und wir können sie nicht einfach so zurückholen. Nur die Erinnerung bleibt – und mit ihr der stille Wunsch, diese Erfahrung öfters zu machen.
Was ist in diesen Momenten passiert?
Der Geist schien zur Ruhe gekommen zu sein – Stille war eingekehrt. Sie war eingekehrt, weil in diesen Momenten plötzlich eine höhere Instanz das Geschehen – und damit unsere Erfahrung – bestimmt hat. Diese höhere Instanz ist unser SELBST – das was uns eigentlich ausmacht – unser innerstes SEIN. In diesen Momenten haben wir uns selbst erfahren, so wie wir eigentlich sind. Denn wir sind genau das, was wir in diesen großartigen Momenten erfahren: still, weit und hellwach. Das ist, was wir eigentlich sind. Die Erfahrung des Gedankenstroms sind nicht wir selbst. Es ist ein TEIL von uns, aber wir SIND es nicht! Wir SIND ausnahmslos und immer reine Stille – in sich ruhende Bewusstheit. Wir haben nur die Gewohnheit entwickelt, uns mit dem oberflächlichen Geschehen, nämlich den Gedanken, zu sehr zu identifizieren. Deswegen haben wir den Eindruck, dass wir diese Gedanken SIND. In Wirklichkeit sind wir es nicht! Gedanken sind eine Aktivität unseres Geistes und dieser ist ein Organ unserer Persönlichkeit – aber er ist nicht die ganze Persönlichkeit. Er ist eine dem SELBST untergeordnete Instanz, die ständig versucht, das eigentliche SELBST zu erreichen und zu erfahren.
Die Erfahrung des Gedankenstroms sind nicht wir selbst. Es ist ein TEIL von uns, aber wir SIND es nicht! Wir SIND ausnahmslos und immer reine Stille – in sich ruhende Bewusstheit.
Das ist auch der Grund, warum der Geist still wird, wenn es gelingt in diese SELBST-Erfahrung einzutauchen. Denn dann hat die rastlose Aktivität des Geistes ihre Erfüllung gefunden. Die ganze Zeit sucht der Geist nach Mitteln und Wegen um die SELBST-Erfahrung zu erlangen – und wenn dies dann eingetreten ist, dann gibt es keinen Grund mehr für den Geist aktiv zu sein. Er ist dort angelangt, wo er hin möchte. Er hat sein Ziel erreicht.
Eine schöne Analogie, um dieses Prinzip zu verdeutlichen, ist die Biene auf der Suche nach Nektar. Sie schwirrt scheinbar rastlos umher – ständig auf der Suche. Sobald sie eine Blüte gefunden hat, wird sie still und saugt den Nektar ein. Sie hat ihr Ziel erreicht – das herumschwirren hat ein Ende. Zumindest für einen Moment… denn wenn der Nektar einer Blüte erschöpft ist, geht das Spiel von vorne los.
Der Geist verhält sich ähnlich. Solange er in reiner stiller SELBST-Bewusstheit verharren kann, ist er vollkommen ruhig. Sobald diese allerdings gestört wird – und dies passiert leider häufig schon nach kurzer Zeit – ist er wieder aktiv und Gedanken tauchen wieder auf. Warum das so ist, werde ich später in einem anderen Beitrag beschreiben…
Rastlos wie eine Biene schwirrt der Geist umher… erst wenn er den Nektar entdeckt kommt er zur Ruhe – wie die Biene wenn sie den Nektar auf der Blüte einsaugt.
Ein weiteres Beispiel für die Natur des Geistes kennt jeder aus eigener Erfahrung. Stell dir vor, du sitzt vor einer eher unangenehmen Aufgabe – bei mir ist das z.B. die alljährliche Steuererklärung. Du versuchst also, dich auf deine Steuererklärung zu konzentrieren, obwohl dir diese eigentlich keinen Spaß macht. Wenn jetzt irgendetwas scheinbar interessanteres deine Aufmerksamkeit erfasst – ein interessantes Gespräch, dass du zufällig mithörst, oder eine Musik, die dir sehr gefällt, dann wird deine Aufmerksamkeit, dein Geist, ganz spontan ohne dass du darüber auch nur eine Zehntelsekunde nachdenken musst, in diese Richtung gelenkt. Das geschied vollkommen automatisch, weil es für den Geist einfach schöner und interessanter ist – und schwups bist du abgelenkt!
Dies verdeutlicht die Natur des Geistes sehr gut. Er ist ständig auf der Suche nach dem schönsten und angenehmsten. Und was ist der schönste und angenehmste Zustand für den Geist? Es ist der Zustand, wenn seine Suche ein Ende hat und reine SELBST-Erfahrung eingetreten ist. Dann, wenn wir in reiner, transzendentaler Bewusstheit verharren.
Um den Geist in die Stille zu führen, müssen also nicht versuchen, still zu sein. Ganz im Gegenteil – dies wird und kann niemals zum Ziel führen! Wenn wir VERSUCHEN, still zu sein wird der aktive Geist uns immer auf der Oberfläche der gedanklichen Aktivität halten.
Was wir tun müssen um in die Stille eintauchen zu können, ist dem Geist die Tür zu öffnen für den Bereich, der angenehmer und erfüllender für ihn ist, dann wird er ganz von alleine still werden. Auf der Erkenntnis genau dieser Gesetzmäßigkeit beruht die Ausübung der Transzendentalen Meditation – wir öffnen dem Geist die Tür in den Bereich, in den er eigentlich möchte. Das geschieht vollkommen mühelos und fast von selbst – wir müssen lediglich den richtigen Anfang machen.